Offline Mailings: Das neue Online?

In fast allen Branchen steigen die Online Werbekosten rasant und die typischen Performance-Kanäle sind längst Mainstream. Nicht zuletzt aus diesem Grund erfolgt in vielen Bereichen eine Rückbesinnung auf Offline Kanäle. Im DSGVO Zeitalter zählen dazu vor allem physische Mailings. Über diesen Kanal sprechen wir heute mit Martin Twellmeyer, Gründer und CEO von optilyz. Warum gewinnen Offline Mailings wieder an Bedeutung und wie kann man diesen Kanal als Performance Channel betreiben? Warum avancieren Marketing-Automation-Suits immer mehr zum Steuerungs-Cockpit im Marketing und in welche Richtung entwickelt sich der Markt? Um diese Fragen geht es in diesem Interview.  

Offline Mailings – Die Wiederentdeckung eines Kanals

Christian: Martin, welches Problem löst Eure Software für Eure Kunden?

Martin: Mit optilyz ermöglichen wir es unseren Kunden physische Postkarten und Briefe automatisiert in den Marketingmix zu integrieren. Wenn ich als Kunde ein Marketing-Automation-System im Einsatz habe und bislang darüber meine E-Mails, meine Bannerwerbung und sonstigen digitalen Kanäle aussteuere, möchte den Kanal Direct Mail analog einbinden und dazu benötige ich eine Software. Und das ist optilyz.

Christian: Sind offline Werbemittel gerade ein Hype oder ein nachhaltiger Bestandteil im Marketingmix?

Martin: Auf der einen Seite ist es eher die Wiederentdeckung eines Kanals, wie man Kunden anspricht. Auf der anderen Seite sind die Klickpreise bei Google in den letzten Jahren stark gestiegen. Insbesondere im E-Mail-Marketing landen viele E-Mails im Spamfolder und es ist einfach ein Fakt, dass immer mehr Kunden werbliche E-Mails ignorieren. Gleichzeitig handelt es sich bei physischen Mails um einen Kanal, mit dem ich aus rechtlicher Sicht fast hundert Prozent meiner Kunden erreichen kann. DSGVO ist hier kein Blocker. Letztendlich hat es diesen Kanal immer schon gegeben. Werbetreibende haben ihn aber nicht im Rahmen der digitalen Kanäle gesehen, sondern er wurde separat ausgesteuert und das verändert sich jetzt. Ich würde vor diesem Hintergrund nicht von einem Hype sprechen, sondern von einem Trend: Offline Werbemittel werden ein integrativer Bestandteil des Marketingmixes.

Marketing-Automation-Suits: Die neuen Steuerungs-Cockpits im Marketing

Christian: Wie genau kann ich Offline als Performance Kanal nutzen, wenn ich von diesem Trend profitieren möchte?

Martin: Streng genommen brauchst Du eine Lösung zur Marketingautomatisierung. Marketing-Automation-Systeme entwickeln sich immer mehr zum Steuerungscockpit im Marketing. In diese Cockpits integrieren wir mit optilyz Offline Touchpoints. Über individualisierte Voucher Codes lassen sich Daten auf Einzelkundenebene erfassen. Alternativ kann man dazu natürlich auch Barcodes einsetzen. Grundsätzlich raten wir unseren Kunden, wie auch bei digitalen Kanälen, immer Kontrollgruppen zu erstellen, um den inkrementellen Wertbeitrag des Kanals zu messen. Hier besteht kein Unterschied zwischen Offline und Online, es gibt lediglich einen größeren Zeitraum, über den die Response-Daten einfließen. Insofern sollte auch ein grundsätzliches Verständnis hinsichtlich der Vorbereitung und Ausführung von Marketingtests vorhanden sein.

Christian: In wie vielen Unternehmen findest Du eine saubere Datenbasis vor, um entsprechend in die Automatisierung einsteigen zu können?

Martin: Viele Unternehmen träumen ehrlicherweise noch, was das Thema Marketing Automation angeht. Die Grundlagen sind häufig noch nicht hinreichend gegeben. Zum einen musst Du in der Lage sein, ein solches System auszuwählen und zu implementieren. Zum anderen müssen die Kundendaten in die Systeme integriert werden wobei die größte Herausforderung darin besteht, die Customer Journeys richtig aufzusetzen. Dazu zählen nicht einfach nur E-Mail-Anstoßketten. Die Komplexität entsteht immer dann, wenn mehrere Touchpoints involviert sind, wie z. B. auch Offline Werbemittel. An dieser Stelle stehen 90 Prozent der Unternehmen noch am Anfang.

Wie man Offline Mailings als Performance Channel aufbaut

Christian: Was rätst Du diesen Unternehmen?

Martin: Ganz wichtig: Keep-it-simple. Wir gehen normalerweise zum Kunden und eruieren, was er schon für Use Cases ausspielt. Häufig sind das Geburtstagsmailings oder saisonal getriebene Anstöße. Genau hier versuchen wir anzusetzen: Welche Daten stehen bereits zur Verfügung und inwieweit lassen sich auf dieser Datenbasis Segmente bilden? Hier ergeben sich zu 99% Ansatzpunkte zur Optimierung. Es geht halt nicht mehr darum, wie noch vor einigen Jahren, alle sechs Monate 1 Millionen Mailings zu verschicken. Heute kommt es darauf an, 200 Mal im Jahr 5.000 Mailings zielgruppenspezifisch umsetzen zu können. Alleine schon, um die Streuverluste und Portokosten bei physischen Mailings zu kontrollieren ist das essenziel. Wir unterstützen den Kunden, diese Denkweise im Unternehmen zu verankern, ähnlich wie in einem typischen Beratungsprojekt: Bis dahin musst Du die Segmentierung fertig haben, bis dahin die Kampagnendesigns, etc. Das Thema Offline Design ist übrigens vielfach im Unternehmen verloren gegangen.

Christian: Worin äußert sich das und welche Muster zeichnen sich dabei ab?

Martin: Es gibt zwei Arten von Kunden. Zum einen hast Du Unternehmen, die aus dem E-Commerce kommen, für die Offline ein neuer Kanal ist. Hier gilt es darum die Analogien zu anderen Kanälen zu erklären: „Guck mal, eigentlich machst Du es doch wie im E-Mail-Marketing oder wie bei einem A-B-Test im Shop“. Und das andere sind Kunden, die ggf. aus dem stationären Handel oder Katalogversand kommen, wo es in der Vergangenheit hochvolumige Versendungen gab. Diese Unternehmen müssen jetzt, wie weiter oben schon angesprochen, nicht mehr Massenmailings sondern zielgruppenspezifische Kampagnen mit Kleinstauflagen aufsetzen. Hier sind die Designanforderungen komplett anders. Was ist z. B. das richtige Format? Meist macht ein Brief oder eine Postkarte mehr Sinn. Viele Unternehmen bestehen auch darauf den Umschlag farblich gestalten zu wollen. Das erhöht aber nicht nur die Komplexität und den Aufwand: Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass schlichte weiße Umschläge am besten funktionieren. Bei diesen Punkten unterstützen wir unsere Kunden, um sie beim Kampagnendesign zum Erfolg zu führen.

Christian: Wie steht es denn grundsätzlich um die Testkompetenz im Markt? Wie viele arbeiten wirklich daten-/testgetrieben, wie wir es von Rocket & Co. kennen?

Martin: Puh, also wirklich über alle Kunden hinweg würde ich sagen, zwanzig bis dreißig Prozent. Es ist doch eine sehr, sehr geringe Anzahl. Alle reden darüber, alle wollen es, aber es ist genauso wie beim Tracking der Customer Journey: Viele sind im Tagesgeschäft gefangen und es bleibt nur wenig Zeit, dieses Thema richtig anzugehen. Es schaffen in der Regel nur sehr wenige, womit aber ein großes Potenzial verschenkt wird. Genau an dieser Stelle arbeiten die schnell wachsenden Unternehmen am Markt deutlich systematischer.

Best Practices und Entwicklungstendenzen im Markt

Christian: Gibt es für dich ein Beispiel, wo du sagst, die haben das super umgesetzt? Was kann man von denen lernen?

Martin: Ja. Mit HelloFresh haben wir auch eine Case Study umgesetzt, über die ich sprechen kann. HelloFresh ist sehr systematisch an das Thema herangegangen. Zunächst wurde nur Direct Mail und dann E-Mails bei der Kundenreaktivierung jeweils separat getestet, darauf aufbauend die Kombination aus beiden Kanälen. Die isolierten Kampagnen haben natürlich auch zu Resultaten geführt, die sich aber im normalen und erwarteten Bereich bewegten. Dann haben sie die Kanäle kombiniert, d. h. zunächst wurde eine E-Mail zur Ankündigung verschickt, dass der Kunde Post erhalten wird. Diese Kampagne hat daraufhin signifikant (!) besser performt als die isolierten Kanäle. Dies verdeutlicht auch, warum die Integration von Offline und Online schlichtweg aus wirtschaftlicher Sicht einen Mehrwert bietet. Um diesen Mehrwert systematisch und skalierbarer Form angehen zu können, dafür kommt man um eine technologiebasierte Lösung nicht herum.

Christian: Das ist ja schon mal eine hohe Messlatte, die viele Unternehmen in den kommenden Jahren überspringen müssen. Wie geht es aus Deiner Sicht in den nächsten zwei bis drei Jahren in diesem Bereich weiter?

Martin: Also wir merken sehr stark, dass sich viele Unternehmen im Aufbau dieser Marketing-Automation-Systeme befinden und interessanterweise ihre Daten nach Hause holen. Wir kennen mehrere große Unternehmen, die bislang mit CRM Agenturen gearbeitet haben. Diese Agenturen haben ähnliche Themen, wie ich sie weiter oben beschrieben habe, bereits für die Kunden umgesetzt. Dadurch haben viele Unternehmen aber auch Basisthemen wie Kundensegmentierungen aus der Hand gegeben und diese Kompetenzen wollen sie jetzt wieder in-sourcen. Grundsätzlich sehen wir, dass etwa ein Drittel der Unternehmen schon eine Marketing-Automation-Systeme im Einsatz hat, ein Drittel beschäftigt sich gerade mit dem Aufbau solcher System und  ein Drittel denkt noch nicht darüber nach. Und ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen, die nicht in den nächsten zwei bis drei Jahren anfangen, so ein System überhaupt aufzusetzen und es sinnvoll zu benutzen in drei bis fünf Jahren Probleme haben werden, am Markt zu agieren.

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