Dennis ist Geschäftsführer vom shopping24 commerce network, einem Tochterunternehmen der OTTO Gruppe. Wir sprechen mit ihm über den Market von Produkt-Suchmaschinen, wie sich die Kernkompetenzen in diesem Markt innerhalb weniger Jahre verändert haben und wie man skalierbare Marketingorganisationen aufbaut. Viel Spaß beim Lesen.  

Christian/Rene: Viele Personen assoziieren mit Preissuchmaschinen immer noch den reinen Preisvergleich, wo Produkte aus verschiedenen Shops miteinander verglichen werden. Inwieweit ist so eine Vorstellung für Shopping24 noch zeitgemäß?

Dennis: Shopping24 hat mit diesem klassischen Bild nur noch wenig zu tun. Wir sind 2007 unter dem Namen Smatch.com mit der Idee gestartet, neben dem reinen Preisvergleich auch Community-Funktionen und Rezensionen in den Vergleich einfließen zu lassen.  Damals hatte man hunderte von Partnern, die ihre Produkte auf dieser Plattform beworben haben. Die Traffic-Generierung funktionierte klassisch über SEO und Performance-Marketing-Kanäle und mit der Weiterleitung eines Leads verdiente Shopping24 Geld. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass sich der Markt gewandelt hat und dass dieses Modell immer schwieriger geworden ist. Deshalb haben wir uns zu einem Shopping Commerce Network entwickelt.

Christian/Rene: Was kann man sich unter einem Commerce Network vorstellen?

Dennis: Wir betreiben ein Netzwerk aus eigenen Websites, einem Publisher Netzwerk sowie redaktionellen Inhalten auf Facebook und Instagram. Die klassischen Produktsuchmaschinen steht in den meisten Fällen am Ende der Customer Journey, wenn der Kunde bereits eine Kaufentscheidung getroffen hat und nach dem günstigsten Angebot sucht. In der Regel informieren sich Kunden aber bereits viel früher auf anderen Seiten. Diesem Umstand tragen wir Rechnung, indem wir die gesamte Customer Journey verschiedener Kundengruppen mit Eigenen Inhalten oder Inhalten Dritter abdecken. Insgesamt haben wir über zweihundert Stellen im Netzwerk, wo wir Produkte aussteuern. Wir schauen uns genau an, welche Produkte wir wo anzeigen müssen, damit es für den Kunden relevant ist und gleichzeitig für den Shop funktioniert.

Christian/Rene:  Wie groß ist vor diesem Hintergrund noch der Umsatz der klassischen Produktsuchmaschine?

Dennis: Ungefähr ein Drittel. Der verbleibende Umsatz verteilt sich auf das Publisher-Netzwerk und  redaktionelle Inhalte.

Christian/Rene: Im Prinzip haben sich die Kernkompetenzen einer Preisproduktsuchmaschine massiv gewandelt bzw. weiterentwickelt. Angefangen vom Produktdatenmanagement bis hin zu einer viel komplexeren Aussteuerung von Werbemitteln. Worin seht Ihr heute Eure Kernkompetenz?

Dennis: Die klassischen Kompetenzen wie das Produktdatenmanagement und eine effiziente Traffic-Akquise muss man nach wie vor beherrschen. Natürlich macht es Google vielen Händlern leichter, mit wenig Wissen selbst solide im Bereich Paid Advertising zu starten. Allerdings glaube ich auch, dass man immer noch einen Wettbewerbsvorteil herausarbeiten kann, wenn man etwas besser als der Durchschnitt arbeitet, z. B. über eine stärkere Automatisierung. Neben diesen klassischen Kompetenzen kommen neue hinzu, in unserem Fall das so genannte Product Routing. Stell Dir dieses Routing am besten als eine Art dreidimensionaler Würfel vor. In diesen Würfeln speichern wir zum einen das Wissen, wie viel Traffic wir welchen Shops über welche Website zur Verfügung stellen können. Wie bereits erwähnt, ist die klassische Produktsuche lediglich eine Seite, die wir zu diesem Zweck in unserem Würfel speichern. Zum anderen erfassen wir auch Daten, wie gut sich welche Produkte über welche Seite bei welchen Zielgruppen verkaufen lassen. An den Conversions müssen wir uns schließlich messen lassen. Diese Daten fließen zurück, um die Empfehlungen kontinuierlich zu verbessern.  Diese Targeting-Kompetenz haben wir die letzten Jahre deutlich weiterentwickelt. Die zweite Kompetenz, die über die letzten Jahre immer relevanter geworden ist, ist das Thema Inhalte-Erstellung. Dies gilt insbesondere für den Aufbau relevanter Reichweiten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram.   

Christian/Rene: Welche Rolle wird Instagram in der Zukunft im E-Commerce aus Eurer Sicht einnehmen und wie stellt Ihr Euch hier auf?  

Dennis: Instagram ist heute bereits eine wichtige Inspirationsquelle, das ist nicht neu. Wenn in der Zukunft jedoch auch der Check-out auf Instagram stattfindet, dann werden Influencer im E-Commerce eine noch wichtigere Rolle einnehmen als bisher. Diesen Bereich schauen wir uns natürlich genau an. Mit „Wohnklamotte“ sind wir auch selbst eine Art Influencer mit einem eigenen Kanal im Wohnumfeld aktiv, wo wir über sechzigtausend Fans und tolle Interaktionsraten haben. Wir investieren hier Zeit und Energie, um später besser mit anderen Influencern zusammenzuarbeiten und eigene Erfahrungswerte als Influencer aufzubauen. Es ist wichtig hier selbst aktiv zu sein, da dieses Thema noch einmal ganz andere Kompetenzen erfordert, z. B. im Bereich Storytelling oder dem Aufbau einer Fangemeinde.

Christian/Rene: Neben Instagram spielt Amazon als Produktsuche natürlich auch eine wichtige Rolle. Inwieweit ist Amazon für Euch eine Bedrohung?

Dennis: Amazon ist natürlich ein Konkurrent, wenn dort die Produktsuche beginnt. In diesem Fall werden wir in der Customer Journey des Kunden mit relativ geringer Wahrscheinlichkeit vorkommen. Allerdings besteht nach wie vor jenseits von Amazon ein milliardengroßer Markt. Für viele Unternehmen ist es sogar attraktiv unabhängig von Amazon neue Kunden zu gewinnen, um relevantes Wachstum zu generieren und eine Abhängigkeit von einem dominanten Marktplatz zu vermeiden. Diese Händler möchten wir unterstützen. Ich habe vorhin bereits einmal gesagt, dass wir entlang der gesamten Customer Journey aktiv sind, also auch in den Bereichen wo das Interesse geweckt wird. Wenn wir es schaffen, bereits an dieser Stelle potenzielle Käufer zu identifizieren und anzusprechen, können wir sie direkt dem Hersteller zuführen. Ich sehe hier eine wachsende Nachfrage.

Christian/Rene: Aus Deinen Ausführungen geht sehr gut hervor, dass die Komplexität im E-Commerce bzw. im Marketing über die letzten Jahre hinweg zugenommen hat. Wie muss vor diesem Hintergrund eine ideale Marketingorganisation aufgestellt sein?

Dennis: Wir können nicht mit 100%-iger Sicherheit prognostizieren, in welche Richtung der Markt sich entwickelt. Das bedeutet konsequenterweise, dass ich dazu in der Lage sein muss flexibel und schnell auf Änderungen zu reagieren. Dies führt natürlich zu der Frage, wie man so einen Ansatz in der Praxis organisatorisch umsetzt.  Ein entscheidender Punkt ist darin zu sehen, dass die Mitarbeiter Lust auf Veränderung haben und den richtigen Mindset mitbringen. Zu einem gewissen Grad hängt es auch mit einem technischen Verständnis zusammen, da die meisten Innovationen technikgetrieben sind oder eine technische Komponente haben. Insbesondere im Marketing hilft es, ein solides technisches Verständnis zu haben. Weiterhin benötigst Du weiterhin einen Fixstern, den Du mit dem Unternehmen ansteuerst. Das Unternehmen muss insofern beweglich sein, gleichzeitig darf es sein Ziel aber nicht aus den Augen verlieren. Dies erfordert natürlich auch einen anderen Führungsansatz als in der Vergangenheit, indem Du z. B. mit OKRs Leitplanken setzt, um den Fixstern anzusteuern.

Christian/Rene: Wie stellt ihr es als Shopping24 sicher, dass ihr an die richtigen Mitarbeiter gewinnen und an Euch binden könnt? Der Standort Hamburg ist hart umkämpft.

Dennis: Wir versuchen unsere Talente intern im Haus aufzubauen. Darum bilden wir z. B. selber E-Commerce-Kaufleute aus, die von der Pieke auf bei uns das Geschäft lernen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Natürlich müssen wir auch Mitarbeiter am Markt gewinnen aber die Balance muss stimmen. Du benötigst junge und hungrige Mitarbeiter, die noch am Anfang ihres Berufswegs stehen und Mitarbeiter, die schon viele Dinge gesehen haben und Ruhe einbringen. Wir bieten auch ein cooles Umfeld, wie wir Familie und Arbeit kombinieren können, was inzwischen ja auch immer wichtiger wird.

Christian/Rene: Ihr seid sehr stark auch auf die Bereiche Fashion sowie Home & Living fokussiert. Siehst du andere Bereiche, wo dieses Geschäftsmodell hineinskaliert werden könnte?

Dennis: Ich glaube, dass jeder Bereich seine eigenen Herausforderungen hat. Beispielsweise würden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in den Markt für Mietwagen oder Reisen einsteigen. Erstens ist bereits extrem hart umkämpft und man darf den Aufwand nicht unterschätzen, in diesen Bereichen eine eigene Taxonomie aufzubauen. Ohne ein großes Funding kann man hier aus meiner Sicht nur noch schwer zu einem relevanten Player aufsteigen. Im B-to-B-Bereich sieht es häufig noch anders aus. Hier gibt es nach wie vor viele relevante Bereiche, wo so ein Ansatz einen klaren Mehrwert stiften kann. Ob dort nun am Ende ein Marktplatz oder eine Produktsuchmaschine entsteht sei dahingestellt. Allerdings denke ich, dass in diesen Bereichen die Datenqualität noch viel wichtiger sein wird als im B2C Umfeld. Wenn ich Dir bei einem T-Shirt nicht exakt sagen kann, ob die Farbe Weiß oder Cremeweiß ist, dann wirst Du im Zweifelsfall damit leben können, weil Du dir auf Basis des Bilds selbst eine Meinung bilden konntest. Wenn ich aber Schrauben habe, die alle gleich aussehen jedoch unterschiedliche Gewinde erfordern, dann ist darin ein hochrelevanter Unterschied zu sehen.

Christian/Rene: Danke für die Einsichten und das spannende Interview.

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